Schon als ich noch ein kleiner Junge war, stellte ich mir manchmal die zugegebenermaßen etwas schräge Frage, ob das Leben, das ich führte, wirklich so stattfand oder ob ich vielleicht in Wahrheit ein ganz anderer wäre, der nur einen besonders langen Traum träumt oder in einer reinen Fantasiewelt gefangen ist.
So richtig habe ich das zwar nie geglaubt, aber ich habe im Laufe der Jahre auch allmählich einsehen müssen, daß sich eine solche Vorstellung, so grotesk sie auch zunächst erscheinen läßt, sich nicht wirklich widerlegen läßt.
Wieso eigentlich nicht? Das Problem fängt eben damit an, daß wir die uns umgebende Außenwelt, also die Welt der physikalischen Objekte, nur über unsere Sinneseindrücke, also stark gefiltert, erleben. Nun sind aber einerseits die Wahrnehmungsmöglichkeiten unserer Sinnesorgane ziemlich eingeschränkt: einen Sinn für radioaktive Strahlung gibt es z.B. nicht (was auch einsichtig ist, wenn man sich überlegt, daß unsere Sinne im Laufe eines evolutionären Prozesses entstanden sind, und da spielte die Radioaktivität wohl keine so große Rolle, daß sich eigens ein entsprechender Sinn entwickelt hätte - das könnte bei späteren Lebensformen auf der Erde allerdings durchaus anders sein...). Andererseits können sie uns auch ziemlich an der Nase herumführen: so lösen ja wohl manche Drogen Halluzinationen aus, die vollkommen real wirken können (Ich selbst habe so ein Zeug freilich noch nie ausprobiert). Und dann gibt es ja auch noch Träume, die auch überaus real wirken können. Sicher, wenn man wach ist, weiß man normalerweise, daß man eben im wachen Zustand ist - aber worauf gründet sich diese Gewißheit? Wie will man wissen, ob man nicht nur einen "Traum höherer Ordnung", wie ich es mal nennen will, träumt?
Hinzu kommt, daß man ja auch weiß, daß sich bestimmte Sinneseindrücke auch erzeugen lassen, indem man die entsprechende Region im Gehirn stimuliert. Woher will man also wissen, daß man wirklich etwas sieht, und daß man nicht einfach einen Draht im Gehirn hat, der zu einem Gerät führt, auf dem nun jemand einen Knopf drückt?
Wenn man also die Eindrücke, Erinnerungen etc., die wir in unserem Kopf spazierenführen, mit dem schönen Wort Innenwelt zusammenfäßt, dann muß man zugeben, daß wir vollkommen in unserer Innenwelt gefangen sind: wir können nicht mit letzter Gewißheit entscheiden, ob ein Bild eines Tisches, das wir im Kopf haben, dadurch entstanden ist, daß Lichtstrahlen , die von einem wirklich vor uns stehenden Tisch reflektiert werden, auf unsere Netzhaut treffen und dort Nerven stimulieren, die entsprechende Signale ins Gehirn weiterleiten, oder ob es keinen Tisch gibt, sondern einen gemeinen Schuft, der unser Gehirn verdrahtet hat - oder ob unser Bewußtsein selbst uns das Vorhandensein eines Tischs vorgaukelt. Mit anderen Worten: wir kommen aus unserer Innenwelt nicht heraus und können uns daher nicht endgültig sicher sein, ob es eine Außenwelt überhaupt gibt.
Nun gibt es wiederum keinen wirklich vernünftigen Grund, unter allen möglichen Annahmen ausgerechnet jene zu bevorzugen, die lediglich das eigene Bewußtsein als existent anerkennt: das wäre ja auch ziemlich egozentrisch. Es wird wohl auch niemanden geben, der den Solipsismus wirklich als ernsthafte Überzeugung vertritt. Die Annahme, daß unsere Sinneseindrücke (zumindest in ihrer Mehrzahl) dadurch zustande kommen, daß wirkliche Objekte einer existierenden Außenwelt unsere entsprechenden Organe stimulieren, die dann entsprechende Abbilder in unserem Kopf erzeugen, wirkt vernünftiger, weniger narzißtisch und in gewisser Weise auch einfacher als die Vorstellung, daß nur unser Bewußtsein existiert und eine gewaltige Fata Morgana um uns aufbaut, damit es uns nicht ganz so langweilig wird.
Trotzdem gilt: wirklich widerlegen läßt sich der Solipsismus eben nicht, und deshalb kommt man beim Denken auch nicht allzuweit, wenn man nach wirklich sicheren Erkenntnissen sucht. Descartes' berühmtes "cogito, ergo sum", wäre so eine sichere Erkenntnis - und mehr als die Tatsache, daß überhaupt etwas existiert und obendrein denkt, wird man nicht als gesichert bezeichnen dürfen. Nun wäre es sicher weder besonders vernünftig noch besonders interessant, an dieser Stelle alles weitere Nachdenken einzustellen, doch es ist ganz gesund, sich von Zeit zu Zeit daran zu erinnern, daß alle Aussagen über die Außenwelt mit einem gewissen Restzweifel, der sich nicht beseitigen läßt, behaftet sind. Die Existenz der Außenwelt ist also streng genommen Glaubenssache - wobei ich persönlich tatsächlich fest glaube, daß es eine von mir unabhängige Außenwelt tatsächlich gibt (schon deshalb, weil ich mich nicht für eine solche Leuchte halte, daß ausgerechnet mein Bewußtsein das einzig wirklich existierende sein soll...). Doch beweisen läßt sich das eben nicht, wenn man daher weiterkommen will, muß man die Existenz der Außenwelt als Axiom festlegen. Und selbst dann wäre noch nicht gesagt, daß man wirklich etwas über die Außenwelt herausfinden kann, dafür braucht man dann noch weitere Axiome. Aber dazu demnächst mehr.
Donnerstag, 4. Juni 2009
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen